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Call for Papers for an Interdisciplinary Conference on Bad Pyrmont

Jul 15, 2021

Call for Papers

„Bad Pyrmont – ein Ort ohne Grenzen?“

Interdisziplinäre Tagung 28.–30. September 2022 in Osnabrück

Veranstalter: Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, Forschungsprojekt „Aufklärer in Staatsdiensten“

Kur- und Badeorte haben eine Bedeutung über die bloße Regeneration und physische Heilung hinaus. Die unterschiedlichen Funktionen eines Kurortes rücken diesen in das besondere Interesse der Aufklärungsforschung. Im nordwestdeutschen Raum hatte Bad Pyrmont eine besondere Stellung inne: Hier ergab sich die Möglichkeit für Geselligkeit, das Flechten von Beziehungen oder auch für (politische) Verhandlungen. Zahlreiche Persönlichkeiten, darunter Könige, hohe Staatsmänner, Künstler und Intellektuelle, kamen im Kurort zusammen und erfreuten sich an der von Johann Christian Kestner betitelten „Brunnenfreiheit“, sodass sich Bad Pyrmont zu einem Kommunikationszentrum der Aufklärung entwickelte. Die bisherige Forschung konzentriert sich überwiegend auf einzelne berühmte Brunnengäste (darunter u.a. Möser, Nicolai und Goethe) und analysiert die Badereisen des 18. Jahrhunderts vor allen Dingen aus sozialhistorischer Perspektive. Dabei wurde besonders das heterotopische Potenzial der Kur- und Badeorte vielfach betont. 

An dieser Stelle möchte die vom Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit geplante sowie vom Land Niedersachsen geförderte Tagung anknüpfen und speziell den Ort Bad Pyrmont als Zentrum des

Austausches, der Geselligkeit und der Inspiration im Zeitalter der Aufklärung in den Blick nehmen. Hierbei soll der weiterführenden Frage nachgegangen werden, inwiefern das Bad Pyrmont des 18. Jahrhunderts als Möglichkeitsraum oder im Sinne Foucaults als Heterotopie betrachtet werden kann.

So begegnen uns in Verbindung mit diesem Kurort zahlreiche Gelegenheiten für die Brunnengäste, über politische, sozialgesellschaftliche und kulturelle Themen sowohl in (halb-)öffentlichen als auch privaten Räumen zu sprechen, während außerhalb Bad Pyrmonts räumliche, ständische und kommunikative Grenzen existierten. Gerade der Handlungsraum der Frau ist innerhalb dieses Mikrokosmos neu zu bewerten und eröffnet weitere Perspektiven auf diskursive Geschlechterpraktiken.

Um sich Bad Pyrmont als Möglichkeitsraum bzw. „Ort ohne Grenzen“ zu nähern, sollen verschiedene Bereiche interdisziplinär erschlossen werden:

 Zum einen soll Bad Pyrmont als Kommunikationszentrum in den Blick genommen werden. Insbesondere die von Brigitte Erker erwähnte „Gruppen- und Zirkelbildung“ deuten auf den bemerkenswerten Charakter des Kurortes als Begegnungsstätte der Aufklärung hin. So gab es beispielsweise Geselligkeitskreise wie den „Ohsener Freundeskreis“, der nur während der Kuraufenthalte in Ohsen zusammenkam und sich gezielt vorab verabredete. Des Weiteren sollen Möglichkeiten und Grenzen des überst.ndischen Austauschs innerhalb des Kurortes Pyrmont ausgelotet werden. An öffentlichen Plätzen wie der großen Allee trafen verschiedene Stände aufeinander und kamen beim gemeinsamen Gehen ins Gespräch. Neben der Allee bot beispielsweise das Frühstück Gelegenheit zur überst.ndischen Kommunikation. Für gewöhnlich lud der Adel ausgewählte Bürgerliche zur Frühstückstafel ein und kam für die anfallenden Kosten auf – Johann Stephan Pütter und Justus Möser gehörten zu jenen, die diese Gepflogenheit erstmals durchbrachen. Dieses Beispiel verdeutlicht sowohl das Vorhandensein von Grenzen als auch die Aussicht, diese aufzulockern. So gilt es etwa zu klären, inwieweit sich die verschiedenen Stände tatsächlich untereinander über aufklärerische Ideen austauschen konnten und wollten. Da im Kurort auch Dienstherren und Staatsdiener aufeinandertrafen, stellt sich zudem die Frage, inwieweit Pyrmont als Ort für politische Aushandlungsprozesse fungierte. Auch die Bedeutung der unterschiedlichen räumlichen Settings zur Gesprächsentwicklung ist von Interesse – war der überständische Austausch in der Öffentlichkeit zwangloser oder zog man sich auch ins Private zurück?

Ein zentraler Teilbereich, dem sich die Tagung widmen möchte, sind geschlechterhistorische Fragen. So soll bspw. geklärt werden, ob bzw. wie Frauen in diesen „Möglichkeitsräumen“ partizipierten. Denn neben den allgemeinen Verhaltensregeln und denen, die aufgrund ständischer Unterschiede zustande kamen, galten für sie andere Normen als für Männer. Inwiefern Kurorte wie Bad Pyrmont aber auch für Frauen der Aufklärung einen Möglichkeitsraum darstellten, und wie sich der Grenzbegriff mit Blick auf die Geschlechter gestaltet, steht zur Diskussion. Als Brunnen-Besucherinnen in Pyrmont seien Jenny von Voigts, Charlotte von Stein und Johanna Schopenhauer als Beispiel angeführt.

Außerdem soll die Tagung nach der literarischen Rezeption von Bade- sowie Kurorten und insbesondere Bad Pyrmonts fragen: Sei es in fiktionalen Texten, wie Lessings Ernst und Falk oder Sophie von La Roches Eine Baad=Bekanntschaft, oder nicht-fiktionalen Zeugnissen wie Marcards Beschreibung von Pyrmont oder Frankenaus Pyrmont und sein Gesundbrunnen. Während Marcards Schilderungen Bad Pyrmont als Paradies auf Erden deklarieren, fällt Frankenaus Urteil angesichts hochmütiger Gäste und medizinischer Scharlatanerie nahezu vernichtend aus. Neben der Betrachtung divergenter Beurteilungen der Kur- und Badeorte stellt sich auch die Frage nach literarischen Praktiken der Ästhetisierung bzw. Idealisierung ebendieser. Somit steht letztendlich zur Diskussion, ob die literarische Ver- und Bearbeitung Bad Pyrmonts zugleich als eine „Arbeit am Mythos“ Bad Pyrmonts bezeichnet werden kann.

Die Tagung versucht daher verschiedene kulturhistorische und -wissenschaftliche Konzepte zu bündeln und neu zu perspektiveren, um so ein Bild von Bad Pyrmont im 18. Jahrhundert als Möglichkeitsraum zu generieren bzw. vorhandene, utopisch aufgeladene Darstellungen zu revidieren. Wir sind bestrebt, verschiedene Blickwinkel aus sozialgeschichtlichen, literarischen, philosophisch-ästhetischen, geschlechtergeschichtlichen und kommunikationsgeschichtlichen Themenbereichen gegenüberzustellen.

Interessierte werden gebeten, bis zum 15. Juli 2021 ihre Themenvorschläge für einen Vortrag (kurze Skizze von max. 3000 Zeichen) mit einem kurzen Anschreiben (akademischer Werdegang, Forschungsschwerpunkte) an die untenstehende Adresse einzusenden. Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant. Je nach aktueller Corona-Situation wird die Tagung im hybriden Präsentationsmodell in Osnabrück stattfinden.

Kontakt:

Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit

Kathleen Burrey und Karl Piosecka

E-Mail: badpyrmont22@uni-osnabrueck.de